Im Herbst 2015 hat Johannes Thönneßen in seinem Blog Managementwissen online (Links dazu am Ende des Artikels) mehrfach kritisch das Thema Mitarbeitergespräche und Zielvereinbarungen aufgegriffen. Bemängelt wurde vor allem:

  • Das Jahres-Mitarbeitergespräch ist überfrachtet mit Erwartungen, Zielen und Themen: Feedback, Leistungsbewertung als Basis für Zulagen, Kompetenzbeurteilung, individuelle Zielvereinbarung …
  • Im Mitarbeitergespräch soll die Führungskraft unterschiedliche Aufgaben/Rollen übernehmen, die zum Teil konfliktär nebeneinanderstehen: Zuhörerin/Versteherin neben „Ansagerin“, Befähiger neben Beurteiler, Coach neben Boss.
  • Zielvereinbarungen und Jahresgespräche fokussieren auf Vereinbarungen mit einzelnen Mitarbeitenden. Zielvereinbarungen für Teams werden in der Regel vernachlässigt.
  • Im Rahmen der Kompetenzbeurteilung wird fast ausschließlich auf bisher notwendige Kompetenzen fokussiert, der Blick auf zukünftig notwendige Fähigkeiten fehlt meistens.
  • Die Wirkung von Jahres-Mitarbeitergesprächen ist, dass zeitnah notwendige Mitarbeitergespräche auf das Jahresgespräch verschoben werden.
  • Leicht messbar zu machende Ziele (Umsatz, Anzahl der abgeschlossenen Verträge, Vermittlungen) gewinnen die Oberhand vor qualitativen Zielen und führen zu falschen Anreizen. Beispiel: Das Leitziel einer Bank „Wir beraten unsere Kunden fair!“ hat auf der Ebene der Mitarbeitenden relativ wenig Chancen gegen das Ziel „10 Neuverträge mit einem Umsatzvolumen von mindestens 300.000 €“.

Durch die Anregungen dieser „Mängelliste“ und auf Basis unserer Erfahrungen mit Einführung und Anwendung von Mitarbeitergesprächen und Zielvereinbarungen entstanden die folgenden Hinweise für eine erfolgreiche Anwendung dieser Führungsinstrumente.

 

Verschiedene Gespräche mit verschiedenen Zielen!

Um Führungskraft und Mitarbeitenden Orientierung und Sicherheit für das Gespräch zu geben, sollten einige Themen nicht innerhalb eines Gesprächs behandelt werden:

  • Das ressourcenorientierte Erkunden und Entwickeln verträgt sich nicht mit deutlicher Kritik und konkreten Verhaltensaufforderungen („Ansage“). Die Kritik dominiert Erinnerung und Wirkung!
  • Verhandlungen von Hardfacts (zum Beispiel Leistungszulage, Übernahme von Fortbildungskosten) können störend auf das Erkunden und Bewerten von Softfacts (zum Beispiel Schlüsselkompetenzen) wirken.

Mein Vorschlag für Titel und Inhalt unterschiedlicher Mitarbeitergespräche lautet:
Im Entwicklungsgespräch wird auf die Stärken und Entwicklungsmöglichkeiten der Mitarbeitenden fokussiert. Welche Ressourcen sind da, wie können sie noch besser genutzt und weiter entwickelt werden?

Im Kritikgespräch wird aus Sicht der Führungskraft Fehlverhalten und das zukünftig gewünschte Verhalten von Mitarbeitenden konkret beschrieben. Bei Bedarf wird Unterstützung angeboten bzw. auf Regeln und Konsequenzen bei weiterem Fehlverhalten hingewiesen.

Das Feedbackgespräch findet zeitnah zu dem auslösenden Anlass statt. Es wird kurzfristig einberufen und kann nach 5 Minuten beendet sein. Ziel ist es entweder, gezeigtes Verhalten von Mitarbeitenden zu würdigen und Mitarbeitende in ihrem Tun zu bestätigen bzw. Mitarbeitende anzuregen, ihr Verhalten zu ändern.

Im Jahresgespräch finden die je nach Betrieb formal notwendigen Elemente ihren Platz: Leistungsbeurteilung, Zulage, Fortbildungsplanung etc.
Des Weiteren können die Inhalte einer Stellenbeschreibung (gleichgültig, ob eine vorliegt oder nicht) Gegenstand des Jahresgespräches sein: Verantwortungsbereich, Ziele und Aufgaben.

Ist die Beziehung zwischen Mitarbeitendem und Führungskraft gut und besteht beiderseitige Akzeptanz, ist es in der Regel verlockend (, aber nicht immer zielführend), mehrere Themen in einem Gespräch zu bearbeiten. Oder andersherum ausgedrückt: je schwieriger das Verhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeitendem, umso klarer müssen Themen und Ziele benannt und eingehalten werden.
Durch die Unterscheidung der Gespräche und ihrer Ziele verlieren auch die vermeintlichen Rollenkonflikte der Führungskraft an Bedeutung.

Verstehen fördern: Selbst- und Fremdwahrnehmung

Führungskräfte erhalten zusätzliche Informationen und Ansätze, Mitarbeitende zu verstehen und zu fördern, wenn sie zunächst nach der Selbstwahrnehmung des Mitarbeitenden fragen. Mitarbeitende zu stärken gelingt unter anderem durch die Fragen:

  • Welche Erfolge haben Sie erzielt und was genau haben Sie dazu beigetragen?
  • Was können Sie besonders gut, was sind Ihre Stärken?

Beschreibung vor Bewerten

Mit Feedback wird in erster Linie Lob und Kritik, also eine Bewertung assoziiert. Zu kurz kommt nach unserer Erfahrung, dass hilfreiches Feedback vor allem auf einer differenzierten Beschreibung des beim Mitarbeitenden wahrgenommenen Verhaltens basiert. Eine Beschreibung trägt zur Versachlichung bei, macht deutlich, dass der Feedback-Geber weiß, wovon er oder sie spricht und lenkt den Fokus der Mitarbeitenden auf Aspekte ihres Verhaltens, die Ihnen vorab nicht bewusst waren. Wie beim Ansehen eines Videos, das uns bei einem Vortrag oder beim Sport zeigt.

Angemessene „Regulierungsdichte“, angemessene Fortbildung

Checklisten, Durchführungshinweise und mit geltende Unterlagen können sich in einer kommunalen Verwaltung auf 80 Seiten summieren. Anderen Betrieben sei geraten, die Unterlagen relativ knapp zu halten: ein Überblick über die unterschiedlichen Arten und Anlässe von Mitarbeitergesprächen, pro Gespräch ca. 2-3 Seiten, in denen Vorbereitung, Durchführung und Dokumentation beschrieben werden.
Mit 2 x 4 Stunden Fortbildung „Feedback geben und hilfreiche Strategien der Gesprächsführung“ erhalten Führungskräfte eine gute Basis für erfolgreiche Gespräche.

Feedback und Ziele für Einzelpersonen und Team

Viele Führungskräfte neigen dazu, Lob und Kritik eher im Einzelgespräch zu äußern. In Trainings und Beratung versuchen wir dazu zu ermutigen, Lob und Kritik für einzelne Personen durchaus auch vor der Gruppe zu äußern, um deutlich zu machen, das gezeigte Verhalten hat Auswirkungen auf das gesamte Team und wird deshalb auch hier besprochen. Außerdem können dadurch Gespräche im informellen Bereich beeinflusst und begrenzt werden („Meier soll ja vom Chef gelobt worden sein – war ja nicht anders zu erwarten …!“).
Bei einem Feedback für das Team steht die Interaktion zwischen den Mitgliedern im Vordergrund und vielleicht auch, welche informellen Regeln sich dabei gebildet haben.
Ein Team ist unter anderem dadurch definiert, dass es ein Ziel gibt, das nur durch das Zusammenwirken der Teammitglieder erreicht werden kann. In der Praxis ist es oft so, dass aus einem Team-Ziel ein Teamleiter-Ziel wird, also auch hier wieder eine Individualisierung stattfindet. Für die Entwicklung von Teams wäre es sicherlich hilfreich, wenn auch hier Formate entwickelt und eingeübt werden, die sich um Entwicklung/Nutzung von Ressourcen, Kritik, zeitnahes Feedback und Verhandlung von Hardfacts drehen.

Andreas Rauchfuß, 10. Dezember 2015

Link zum Artikel von Andreas Rauchfuß
Ressourcenorientierung als Unternehmenskultur etablieren