Der Hinweis auf Rollenunklarheit und die damit verbundene Unsicherheit im Handeln ist oft mit der Erwartung verbunden, dass der/die Vorgesetzte für die Klärung verantwortlich ist. Formal ist das richtig. Gleichwohl verwundert es auf den ersten Blick, dass Untergebene bis zu solchen Aussagen zum Teil noch keine eigenen Anstrengungen unternommen haben, für eine Klärung zu sorgen. Deshalb soll dieser Text dazu beitragen, Rollenklärungen, sei es zwischen zwei Hierarchieebenen oder auf einer Hierarchieebene, aktiv und konstruktiv voranzutreiben. Falls man von einer Klärung Vorteile für die eigene Rolle oder für die Abteilung/Organisation erhofft. Manchmal allerdings können tragfähige Unklarheiten besser für die Beteiligten sein.
Die Rolle
Eine berufliche Rolle ist die Schnittmenge aus dem, was eine Organisation von einer Person erwartet (und bereit ist, zu geben) und dem, was die Person von der Organisation erwartet (und bereit ist zu geben). Wenn über diese Schnittmenge (gefühlte) Einigkeit zwischen Mitarbeitenden und Leitung, zwischen Kollegen und Kolleginnen besteht, wird das als entlastend und Sicherheit gebend empfunden. Besteht keine Einigkeit oder zumindest Unsicherheit, führt das langfristig zu Irritationen bzw. sogar Konflikten.
Ein Teil der Rolle wird durch die Stellenbeschreibung definiert: Ziele, Aufgaben und Befugnisse der Stelle. Es wird das WAS definiert. Darüber hinaus ist es für eine berufliche Rolle wichtig, dass Einverständnis über das WIE besteht: Wie genau, zum Beispiel in welcher Güte soll Aufgabe X erledigt werden, wie genau sollen Mitarbeitende geführt werden, wie genau sieht es aus, wenn der Rollenträger zum Beispiel „Verantwortung“ übernimmt oder für einen „guten Informationsfluss“ sorgen soll.
Die Klärung
Kommt es zu Rollenklärungen, wird der Einstieg in der Regel über die Klärung des WAS gewählt. Damit wähnt man sich auf der sachlichen und rationalen Ebene und hofft, dadurch soziale und emotionale Differenzen zu entschärfen. Das funktioniert manchmal, manchmal nicht. Nicht selten ist es der Fall, dass man nach Klärung von Zielen, Aufgaben und Befugnissen zur gemeinsamen Einschätzung kommt, dass das Ergebnis nicht schlecht sei, aber das „eigentlich Strittige“ noch nicht aus der Welt ist. Deshalb der Rat, sich nicht zu lange mit der Frage aufzuhalten, ob man zuerst das WAS oder das WIE klärt. Wichtig ist, dass alle Beteiligten dem Verfahren zustimmen.
Um sich selbst klar über die eigene Rolle zu werden, bietet sich das Erstellen einer Erwartungslandkarte an. Bei einer solchen Landkarte steht die eigene Rolle in der Mitte. Von hier aus gehen Pfeile zu Teams, KollegInnen, Vorgesetzten, KundInnen oder AuftraggeberInnen, die Einfluss auf meine Rollenwahrnehmung haben. Damit ist eine erste Auswahl getroffen, wen man für wichtig und für weniger wichtig erachtet. Zu den genannten Personen/Gruppen schreibt man die (vermuteten oder definierten) Erwartungen bzw. die eigenen an die Person/Gruppe gerichteten Erwartungen. Dies Landkarte bewertet man dann: wo gibt es oder fehlen Übereinstimmungen zwischen eigenen und fremden Erwartungen, wo sind mir Erwartungen unklar, wo sind meine Erwartungen vermutlich unklar/unbekannt, welchen Erwartungen will ich (nicht) nachkommen, wo sehe ich (akuten/langfristigen) Handlungsbedarf?
Aus der Arbeit mit einer solchen Landkarte kann große Klarheit und Fokussiertheit („Genau, ich muss auch die Dienstvorgesetzte sein!“) entstehen und es kann eine lange Liste von Ambivalenzen und noch zu recherchierenden Sachverhalten geben. An dieser Stelle ein weiterer Rat: Werden Sie sich über Ihre eigenen Ambivalenzen klar und entscheiden Sie sich für einen Umgang damit: Sie können sie im Prozess des Rollenverhandelns offenlegen, Sie können sie mit unbeteiligten Dritten reflektieren, Sie können sich weitere Informationen beschaffen …
Liegen Stellenbeschreibungen vor, können diese als Ausgangsbasis für eine Rollenklärung zum WAS herangezogen werden. Ansonsten kann man sich darauf einigen, dass jede Partei sich vorbereitet und zum Beispiel 3-6 Zieldefinitionen, ca. 6-12 Aufgaben und die damit verbundenen Befugnisse (entscheiden, informieren, mitarbeiten, verantworten, federführend …) für die Stelle erarbeitet.
Beim Rollenverhandeln über das WIE ist darauf zu achten, dass Erwartungen möglichst genau beschrieben werden. „Ich erwarte, dass Sie gegenüber Ihren Mitarbeitenden deutlicher in die Leitungsrolle gehen!“ Nickt die angesprochene Führungskraft in der Sandwichposition an dieser Stelle nur ab, ist der Klärungsprozess verschoben, der Gärungsprozess wird fortgesetzt. Hier gilt es, um eine Konkretisierung zu bitten, zum Beispiel: Was genau müssten Sie selbst wahrnehmen oder was würde Ihnen berichtet, wenn Sie denken, dass ich nun deutlich in die Leitungsrolle gehe?
Des Weiteren ist es hilfreich, zwischen Lösung/Erwartung und eigenem Interesse/Bedürfnis zu unterscheiden und beides im Verhandlungsprozess „parat“ zu haben. Als konkrete Erwartung kann zum Beispiel der Wunsch nach häufigerem Austausch an den Vorgesetzten formuliert werden. Das hinter diesem Wunsch liegende Bedürfnis könnte zum Beispiel „fachliche Sicherheit gewinnen“ sein. Das Formulieren von Bedürfnissen schafft mehr Lösungsmöglichkeiten als der Austausch über sehr konkrete, fokussierte Erwartungen.
Wenn es vor dem Beginn des Klärungsprozesses bereits zu wiederholten Irritationen bezüglich der Rollengestaltung kam, kommt der Vorbereitung des Prozesses eine besonders hohe Bedeutung zu. Vertrauen Sie nicht Ihrer Hoffnung, dass nach einem Klärungsgespräch alles besser wird. Unterscheiden Sie bei der Vorbereitung zwischen Zielen für das Gespräch und den Wirkungen, die Sie mit dem Gespräch erreichen wollen. Überlegen Sie sich vor dem Gespräch, wie der Prozess weitergeführt werden kann im Hinblick auf weitere Klärungen, das Überprüfen von Vereinbarungen und die Kommunikation der Ergebnisse.