Führungskräfte führen jeden Tag viele und vielfältige Gespräche mit ihren Mitarbeitenden. Meist intuitiv wählen sie eine Gesprächsstrategie aus. Ein Risiko der intuitiven Wahl besteht darin, dass die Führungskraft die Strategie wählt, die sie „kann“ und mit der sie sich sicher und wohl fühlt – und dass dadurch wirksamere Strategien nicht zum Einsatz kommen. Der Artikel geht folgenden Fragen nach: Welche grundsätzlichen Strategien in Gesprächen mit Mitarbeitenden gibt es, wie wähle ich die wirksame/passende aus und wie setzte ich sie erfolgreich um?
Aus der unüberschaubaren Zahl von möglichen Strategien für ein Gespräch mit Mitarbeitenden habe ich drei ausgewählt: Anweisen, Verhandeln, Beraten.
Warum genau diese drei? Ich habe das Konzept „Gruppentraining sozialer Kompetenzen“ von Rüdiger Hinsch und Ulrich Pfingsten kennengelernt. Um den schillernden Begriff „Soziale Kompetenz“ handhabbar zu machen, unterscheiden sie drei soziale Situationen, in denen soziale Kompetenz, also Handlungsstrategien gefordert sind:
- Recht haben und durchsetzen,
- partnerschaftlich auf Augenhöhe verhandeln,
- um Sympathie werben.
In diesen Situationen spiegeln sich Machtverhältnisse oder Positionen wider: ich habe Recht und damit einen höheren Status in der Situation ( ICH-du), Statusgleichheit beim Verhandeln (ICH/DU) und Statusunterschied, wenn es um Bitten und Werben geht (ich/DU).
Im Mitarbeitergespräch ist Status keine hilfreiche Unterscheidung: er ist geklärt und offenkundig. Wichtiger, oft unklarer oder umkämpfter ist die Frage: Bei wem liegt die Verantwortung für die Lösung?
Wende ich diese Unterscheidung an, kann ich die genannten allgemeinen sozialen Situationen in den betrieblichen Führungskontext übertragen:
- Anweisen, Anordnen.
- Verhandeln.
- Beraten.
Beim Anweisen liegt die Verantwortung für die Lösung fast ausschließlich bei der Führungskraft, weil sie ein genau beschriebenes Verhalten, eine Lösung vorgibt. Formal kann die Verantwortung für eine Aufgabe beim Mitarbeitenden liegen, durch die Anweisung geht die Führungskraft in die Verantwortung.
Beim Verhandeln wird die Situation trotz des formalen Hierarchieunterschiedes so definiert, dass beide Parteien eine hohe Verantwortung für eine wirksame Lösung haben oder übernehmen. Im besten Fall ringen beide Parteien um eine gute Lösung.
Beim Beraten bleibt die Verantwortung für eine hilfreiche Lösung fast ausschließlich beim Mitarbeitenden. Die Führungskraft berät, indem sie Fragen stellt, Wichtiges fokussiert und eigene Erfahrungen, Sichtweisen und Lösungsideen zur Verfügung stellt – ohne die Umsetzung einzufordern.
Für die Führungskraft bietet die Wahl zwischen diesen sich deutlich unterscheidenden Strategien die Möglichkeit, sich selbst über das eigene Ziel klar zu werden. Will ich die Verantwortung beim Mitarbeitenden lassen, ist eine Anweisung mit großer Wahrscheinlichkeit unproduktiv.
Die eigenen Muster (selbst/fremd) überprüfen, um bewusster wählen zu können.
Menschen neigen dazu, bekannte Verhaltensmuster zu wiederholen, auch wenn die Situation oder das eigene Ziel nicht unbedingt für das Verhaltensmuster sprechen. In Führungskräftetrainings wird das deutlich, wenn wir fragen, mit welchen Strategien sich die teilnehmenden Führungskräfte wohler und sicherer fühlen. Es kommen deutliche Präferenzunterschiede und die Einschätzung zu Tage, „dass ich öfter x anwende als y – weil es mir leichter fällt.“
Ich glaube, dass es sinnvoll ist, wenn Führungskräfte ihr Handlungsrepertoire erweitern und auch (positive) Erfahrungen mit bisher ungewohnten Strategien sammeln. Wer eher ein Berater-Typ ist, sollte versuchen eine „Anweisungssituation“ zu erkennen und entsprechend zu handeln. Um zukünftig nicht die Situation dem Werkzeug anzupassen, sondern aus einer Vielfalt an Methoden und Strategien die wirksamste wählen können.
Ein Bewusstsein für die eigenen Vorlieben zu erlangen, kann damit beginnen, sich selbst einzuschätzen und Bekannte oder Kollegen um eine begründete Fremdeinschätzung zu bitten.
Mit welcher der 3 Strategien bin ich wie vertraut und wie sicher in der Anwendung?
(1=gar nicht, kaum / 10 = sehr gut, sehr routiniert)
Stringent in der Umsetzung
Der Erfolg und die Wirksamkeit der gewählten Strategie hängen zum einen von der passenden Wahl, zum anderen von der richtigen Umsetzung ab. Eine stimmige Umsetzung der Strategie ist zum Beispiel am Einsatz der Personalpronomen zu erkennen.
„Ich erwarte, dass Sie …“ oder „Bitte sorgen Sie dafür …“ macht deutlich, beim wem die Verantwortungen für die Umsetzung liegt. Das klingt manchen Führungskräften zu direktiv, sie mildern die mögliche Härte durch ein aufmunterndes „Das kriegen wir schon hin!“ ab. Was gut gemeint ist, sorgt nach einer Anordnung eher für Verwirrung. Beim Verhandeln ist das Wir gut aufgehoben, beim Beraten eher nicht. Durch die Frage der Führungskraft „Welche Lösungsideen haben Sie denn bisher …?“ wird deutlich: die Mitarbeitende steht im Fokus und in der Verantwortung, während die Vorgesetzte Unterstützung anbietet – und Vertrauen in die Mitarbeiterin hat, dass sie eine gute Entscheidung treffen wird.
Andreas Rauchfuß, Juni 2015
Im nächsten Move-Letter stelle ich das Explorieren/Erforschen als eine ergänzende Strategie vor.
Literatur: Hinsch, Pfingsten, Gruppentraining sozialer Kompetenzen, Beltz, 2007