„Hast Du schon gehört, …?“
Klatsch und Tratsch sind kaum aus sozialen Zusammenhängen wegzudenken. Menschen reden übereinander, in Familien ebenso wie in Teams und ganzen Unternehmen. Über wen gar nicht gesprochen wird, ist möglicherweise für die Gruppe nur wenig bedeutsam oder wird nicht wahrgenommen. Wer will das schon?
Übereinander zu reden ist wohl so alt wie unsere Sprachfähigkeit. Folgt man Yuval Noah Harari (Eine kleine Geschichte der Menschheit), so ist Sprache auch aufgrund der Notwendigkeit entstanden, wachsende Gruppierungen von Menschen über den Austausch von Informationen zu koordinieren.
Informationen über Beziehungsgeflechte, über richtiges und falsches Verhalten waren möglicherweise wesentlich, um Regeln für das Zusammenleben zu etablieren und deren Einhaltung zu sichern. Auch die Frage, wer gehört dazu und wer ist fremd, also die Frage nach Zugehörigkeit, galt es immer wieder zu klären.
Klatsch und Tratsch kann durchaus positive Aspekte haben. Das gemeinsame Reden über Abwesende hinterlässt ein wohliges Gefühl der Einigkeit und Nähe. Und ganz nebenbei werden die im Team gängigen Wertevorstellungen transportiert. Welches Verhalten ist erwünscht? Was wird sozial geahndet? Wo steht jeder Einzelne im Gesamtgefüge? Neue Mitarbeiter*innen werden orientiert. Nicht zuletzt liegt in Klatsch und Tratsch auch eine Portion erholsamer Unterhaltung und Ablenkung.
Klatsch und Tratsch als „verbunden sein im Schlechten“, kann allerdings zuweilen solche Auswüchse annehmen, dass die sach- und aufgabenbezogene Kommunikation nahezu in den Hintergrund tritt. „Wer hat was zu verantworten, hat was wieder falsch gemacht? Wie die/der sich kleidet oder verhält! Warum macht die Neue nicht bei den Geburtstagsgeschenken mit? Ob der sich wohl lange bei uns halten kann?“
Nimmt das Übereinander-Reden vorrangig abwertende Tendenzen an, schnellen die Folgekosten hoch. Mitarbeiter kreisen mehr um die Beziehungen untereinander als um ihre Aufgaben. Steigende Krankheitsfälle durch psychische Belastung, Kündigungen und Leistungsabfall sind nur einige Wirkungen.
In Teamentwicklungsprozessen werden wir oftmals mit der Frage konfrontiert, wie Klatsch und Tratsch aufgelöst werden kann und wieder Wohlwollen, Vertrauen und ein ergebnisorientiertes Miteinander wachsen kann. „Wie können wir es schaffen, mehr miteinander als übereinander zu sprechen?“
Stark verunsichernde Veränderungs- und Umstrukturierungsprozesse, Leitungsvakuum, fehlende Feedbackkultur oder Überlastungssituationen können negative Ausprägungen von Klatsch und Tratsch als zunehmende Nebenwirkung erzeugen. Auch werden Befürchtungen durch vielfache Wiederholungen bereits zur „Realität“. In solchen Situationen übernimmt möglicherweise Klatsch und Tratsch einen wesentlichen Teil der Koordination von Handlungen und Verhalten.
Welche Funktion übernimmt Klatsch und Tratsch in Ihrem Team?
Vom Reden übereinander zum Klatsch und Tratsch in Anwesenheit?
In verunsichernden Situationen steigt die Bedeutung von face-to-face Kommunikation und Metakommunikation in Teams enorm.
Die Bedürfnisse nach Zugehörigkeit, Sicherheit, Orientierung, Bedeutsamkeit, um nur einige zu nennen, sind nachvollziehbar. Sind diese Bedürfnisse unterversorgt, braucht es wirksame Gegenmittel. Reden übereinander kann ein solches Gegenmittel sein. In Teamklausuren arbeiten wir mit einer wertschätzenden Form von Klatsch und Tratsch in Anwesenheit.
Es werden Kleingruppen nach dem Zufallsprinzip gebildet. Alle bekommen die Aufgabe, sich über die Kolleg*innen einer anderen Kleingruppe auszutauschen:
„Was fällt uns zu jeder/m Kollege*in ein, was ihn / sie auszeichnet, was er/ sie besonders gut kann und womit er/sie zum Erfolg des Teams beiträgt.“ (Genau 3 Komplimente pro Kollege*in sind zu formulieren.)
Nach 10 bis 15 Minuten benennt jede Gruppe öffentlich ihre Komplimente für die jeweils anderen Kolleg*innen.
In der Regel sind alle sehr bemüht, den positiven Blick auf die Kollege*innen zu richten, da alle wissen, es wird jetzt auch über mich gesprochen. Die Stimmung ist meist positiv gespannt.
Nach dieser Runde wird gemeinsam reflektiert, welche Wirkung diese Übung hat und wie es ist zu wissen, dass auch gerade über „Mich“ gesprochen wird. Es entsteht oftmals der Wunsch, mehr das „Gute“ der Kollege*innen zu beachten und auszusprechen. Allen wird erstaunlicherweise bewusster, dass im Alltag alle über alle sprechen. Es entsteht das Bedürfnis, gemeinsam darüber nachzudenken, wie man reagieren könnte, wenn negativ über jemanden gesprochen wird.
Die Aufforderung zu Klatsch und Tratsch in Anwesenheit kann eine Tür zu einer veränderten Kommunikation öffnen. Allerdings muss diese Tür dann im Teamalltag gut geölt und gepflegt werden.