Aus unserem Physikunterricht wissen wir noch, dass physikalische Stoffe zum Ausgleich von Differenzen neigen. Bringt man kaltes und warmes Wasser zusammen, gibt das warme Wasser Wärme ab, das kalte Wasser nimmt die Wärme an und es kommt zu einer einheitlichen Temperatur. Beim Menschen sieht das etwas anders aus. Wir treffen permanent Unterscheidungen. Wir ordnen und konstruieren so unsere Welt. Wir grenzen uns ab, erschaffen und erhalten so unsere Identität. Für uns Menschen ist diese Fähigkeit zum Unterscheiden lebenserhaltend. Unsere Sinnesorgane sind darauf ausgerichtet, Unterschiede wahrzunehmen, zu erklären und zu bewerten. Das dient der Orientierung und der Entscheidung, was richtig oder gefährlich ist.
So lebenserhaltend das auf der einen Seite ist, so konflikthaft ist es auf der anderen Seite. Es verstärkt das Denken in entweder – oder / richtig oder falsch / gut oder schlecht….
Es fördert die Identifikation mit dem einen Teil der Welt und die Ablehnung des anderen Teils. Dieser Mechanismus lässt schnell vergessen, dass die von uns getroffenen Unterscheidungen nicht die Wirklichkeit abbilden und einer allgemeingültigen Wahrheit entsprechen, sondern aufgrund unserer gefilterten Wahrnehmungen entstehen. (Dieser kleine Film lohnt sich: https://www.google.de/webhp?sourceid=chrome-instant&ion=1&espv=2&ie=UTF-8#q=colour%20changing%20card%20trick )
Wer trifft welche Unterscheidungen? Welche Unterschiede bekommen im Team eine positive und welche eine negative Bedeutung? Was ist selbstverständlich, was fällt auf? Und vor allem – wie werden diese Unterschiede erklärt und bewertet?
Die meisten haben das Aufeinandertreffen von neuen Mitarbeiter/innen, die frischen Wind bringen und langjährig erfahrenen Mitarbeiter/innen, die vieles schon erprobt und erlebt haben, mitgemacht. Oder wer kennt sie nicht, die Fraktion, die bei anstehenden Veränderungen immer wieder auf das hinweist, was nicht funktionieren wird und die Fraktion, die dabei die Augen verdreht. Beide Seiten fühlen sich nicht wertgeschätzt. Ebenso schwierig zeigen sich Situationen, in denen ein eingeschworenes Team mit viel persönlicher Nähe neue Mitarbeiter/innen integrieren soll, die vielleicht das gemeinsame Geburtstagsfrühstück nicht so gut finden und stattdessen doch lieber schnell wieder in Ihr Büro zurückkehren und arbeite“. Oder der Unterschied zwischen den Kollegen, die den fachlichen Austausch beim Kaffee suchen und denen, die lieber alleine im Büro bei geschlossener Tür arbeiten. In allen Fällen viele Gründe, sich abgelehnt oder bedrängt zu fühlen.
Eine Einordnung der Unterschiede zwischen Mitarbeitern bietet das Riemann-Thomann Modell. Dieses Modell unterscheidet Menschen nach ihren Bedürfnissen. Im Zentrum stehen die Bedürfnisse nach Nähe (z.B. zwischenmenschlicher Kontakt, Harmonie, Geborgenheit) bzw. nach Distanz (z.B. Unabhängigkeit, Ruhe, Individualität) und die Bedürfnisse nach Dauer (z.B. Ordnung, Regelmäßigkeiten, Kontrolle) bzw. nach Wechsel (z.B. Abwechslung, Spontaneität, Kreativität). Klaffen die Bedürfnisse von Mitgliedern eines Teams stark auseinander, zeigen sich sehr unterschiedliche Verhaltens- und Kommunikationsweisen, sowie unterschiedliche Bewertungen, führt das in der Folge häufig zu Spannungen. Entsprechend ihrer Tendenzen haben Menschen auch unterschiedliche Arbeits- und Organisationsstile, Wertehaltungen und zeigen unterschiedliche Verhaltensweisen in Konflikten und Stresssituation.
Für Führungskräfte ist es oftmals eine große Herausforderung, heterogene Teams zu guter Zusammenarbeit zu führen. Nicht selten führen solche und viele andere Unterschiede in Denken, Handeln und Kommunikation zu Konflikten im Team, die, sind sie erst verfestigt, die Leistungsfähigkeit zum Teil deutlich beeinflussen.
Dabei wird in der Teamliteratur doch immer darauf hingewiesen, dass bei der Zusammensetzung von Teams darauf zu achten sei, unterschiedliche Teamrollen zu besetzen und dass zu homogene Teams an Innovationskraft und Leistungsfähigkeit einbüßen.
Was kann man als Führungskraft nun tun, um die Vielfalt im Team als Ressource nutzbar zu machen? Einige Anregungen und Tipps für ressourcenorientiertes Führungshandeln sind im Folgenenden aufgeführt.
1. Als Führungskraft eine ressourcenorientierte Haltung gegenüber Unterschieden entwickeln!
Um eine ressourcenorientierte Haltung im Team zu etablieren, ist es wichtig, als Führungskraft selbst diese Haltung vorzuleben. Die Frage, die sich die Führungsetage also zunächst stellen sollte ist, welches Bewusstsein für die Unterschiede und Ähnlichkeiten der einzelnen Teammitglieder sie selbst haben und wie sie damit umgehen.
- Welche Unterschiede nehme ich als Führungskraft in meinen Team (mich eingeschlossen) wahr?
- Wie sind meine eigenen Erklärungen und Bewertungen. Achten Sie dabei besonders auf die eigenen Abwertungen.
- Mit welchen Verhaltensweisen fühle ich mich persönlich mehr oder weniger verbunden?
- Fragen Sie sich nach den Wirkungen individueller Verhaltensweisen und bewerten diese für das Team und die Ergebnisse, nicht das Verhalten selbst. (Die Wirkung des Mitarbeiters, der seine Interessen lautstark durchsetzt, wird in einem Lehrerkollegium anders zu bewerten sein als auf einer Baustelle).
- Machen Sie sich bewusst, dass hinter jedem Verhalten Ihrer Mitarbeiter/innen grundsätzlich positive Bedürfnisse stehen. Das macht es leichter, wertschätzend zu bleiben.
- Wie können wir im Team die vorhandenen Unterschiede am besten nutzen?
2. Tun Sie als Führungskraft alles, was dazu beiträgt, dass Sie und Ihre Mitarbeiter/innen Unterschiede schätzen lernen und sogar zelebrieren können.
Um Vielfalt im Team als Ressource zu nutzen, müssen auch die Teammitglieder die Diversität ihrer Kollegen respektieren und im besten Fall sogar nutzen können. Dafür ist es wichtig, die Unterschiedlichkeit der anderen nicht als Störfaktor, sondern als Bereicherung oder wenigstens als Normalität begreifen.
- Eröffnen und ermöglichen Sie Gespräche über Unterschiede und Gemeinsamkeiten.
- Werte, Bedürfnisse und Erfahrungen sollten besprechbar sein und damit ins Bewusstsein gerückt werden.
- Stärken Sie die Kommunikationskompetenz bei Ihren Mitarbeitern.
- Thematisieren Sie einen wünschenswerten und konstruktiven Umgang mit Unterschieden im Team.
- Signalisieren Sie, dass das Vorhandensein von Unterschieden für Sie als Führungskraft selbstverständlich und positiv ist.
- Machen Sie auch deutlich, welche Verhaltensweisen im Team keinen Platz haben und seien Sie darin konsequent.
- Bringen Sie zum Ausdruck, dass die Vielfalt von Sichtweisen manchmal anstrengend ist und die Qualität von Entscheidungen verbessert.
- Organisieren Sie sich als Führungskraft Widerspruch – das macht Ihre Wertschätzung für das „Andere“ deutlich und vermeidet festgefahrene Grabenkämpfe zwischen Mitarbeiter/innen.
3. Ressourcen, die in den Unterschieden liegen, nutzen
Beispielsweise können ressourcenorientierte Mitarbeitergespräche ein nützliches Instrument sein, um eine Ausrichtung auf Stärken und Potenziale im Team zu fördern. Führungskräfte erhalten zusätzliche Informationen und Ansätze, Mitarbeitende zu verstehen und zu unterstützen, wenn sie dabei zunächst nach der Selbstwahrnehmung des Mitarbeitenden fragen.
Leitfragen können dabei sein:
- Welche Erfolge haben Sie erzielt und wie genau haben Sie dazu beigetragen?
- Was können Sie besonders gut, was sind Ihre Stärken?
- Was waren Ihre wichtigsten Fehler oder Misserfolge und was können wir daraus lernen?
- Was brauchen Sie, damit Sie in diesem Team Ihre Stärken am besten einbringen können?
Um die Unterschiede auch effektiv für den Arbeitsprozess zu nutzen, kann Im Rahmen einer gemeinsamen Standortbestimmung im Team folgenden Fragen nachgegangen werden:
- Welche Rollen brauchen wir in unserem Team (z.B. Berater, Organisatorin, Überzeuger, Kreative, Prüfer, Macherin, Stratege, Bewahrerin)?
- Welche Rollen erkennen wir in unserem Team?
- Gibt es fehlende Rollen?
- Sind alle mit ihren Rollen zufrieden?
- Wie können wir unser Team stärken und fördern?
- Welche Kompetenzen und Ressourcen sind im Team vorhanden?
Zum Ende bleibt noch zu sagen, dass eine regelmäßige Auseinandersetzung mit der Thematik für eine dauerhafte und nachhaltige Ressourcennutzung unabdingbar ist. Denk- und Handlungsweisen, welche den Fokus auf die Vielfalt des Teams lenken, müssen aktiv und regelmäßig von der Führungskraft in den Arbeitsalltag eingebunden werden. Der Umgang mit Unterschieden ist eine Daueraufgabe von Führung und macht mal wieder deutlich, dass Führung eher einem Marathon als einem Sprint gleicht.
Stephanie Frenzer
Für weitere Informationen:
Thomann, Christoph: Klärungshilfe 2- Konflikte im Beruf: Methoden und Modelle klärender Gespräche, Rowohlt Verlag, 2007, 2. Auflage